Beschwerden am Bewegungs- und Stützapparat sind langwierig und – leider auch – sehr verbreitet: 2018 waren Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes mit über 600.000 Fällen immerhin die dritthäufigste Krankenstandsursache in Österreich. Grund genug, uns dem Thema Wirbelsäulenbeschwerden einmal etwas näher zu widmen. Welche Therapieform wann eingesetzt werden sollte und worauf es wirklich ankommt, lesen sie hier.
Zunächst ein paar Fakten
Die Therapie von Wirbelsäulenbeschwerden hängt einerseits von der Intensität und andererseits von der Ursache, die mit einem Befund genau abgeklärt wird, ab. Hat ein Patient/ eine Patientin Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung in Arme und Beine, wird zunächst für einige Wochen eine Schmerzbehandlung und Physiotherapie empfohlen. Ist der Schmerz dann weitgehend verschwunden, handelt es sich zumeist um den „unspezifischen Kreuzschmerz„, bei dem in der Regel keine weiteren Eingriffe notwendig sind.
Hält der Schmerz allerdings an, empfiehlt die Österreichische Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie eine radiologische Abklärung mit Röntgen, MR oder auch CT. Zusätzlich wird eine genaue neurologische Untersuchung und die Einleitung einer gezielten Therapie empfohlen, die mit Infiltrationen [Therapie, bei der Arzneistoffe gezielt in kleine Gewebsbereiche injiziert werden] unter CT- oder Röntgenkontrolle erfolgen kann. Alternativ empfehlen Wirbelsäulenspezialisten eine intensivere Schmerztherapie mit Infusionen und Muskelaufbau mit Physiotherapie.
In diesem Sinn meint OÄ Dr. Waltraud Stromer, Vize-Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft [ÖSG]: „Präventions- und Rehabilitationsprogramme werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen müssen – denn sie sind für Betroffene und die öffentliche Hand die beste Lösung“.
Unterschiedlich[st]e Ursachen
Die Ursachen für Wirbelsäulenbeschwerden können unterschiedlich sein: möglich sind unter anderem eine Degeneration mit Problemen an den Bandscheiben, Wirbelverschiebungen [Listhese, Skoliose], Arthrose der Gelenke, gestörte Stellung der Gesamtwirbelsäule [Profilstörung] oder auch eine Dysfunktion bzw. Arthrose vom Kreuz-Darmbeingelenk. Daneben können auch schwere Erkrankungen wie Entzündungen, Infektionen, Tumore oder Traumata, wie ein Wirbelbruch als Ursache gefunden werden.
Halten die Schmerzen trotz Infiltrationen und intensiver Therapie an und erklärt der Befund das Problem, dann erst sollte – sozusagen als letzte Möglichkeit – ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen werden, um folgenschwere negative Konsequenzen von andauernden Schmerzen zu verhindern bzw. zu mildern. Weitreichende Folgen unerträglicher Schmerzen können mitunter Stimmungsschwankungen bis zur Depression, die im schlimmsten Fall zum Suizid führen, sein.
Anders verhält es sich, wenn eine zusätzliche Schmerzausstrahlung in Arme und Beine vorliegt. Das ist ein Indiz dafür, dass sich der Nerv unter Druck befindet. Hier sollte die umgehende Abklärung mit Röntgen und MR erfolgen. Weiters können eine neurologische Untersuchung und die Einleitung von gezielten Behandlungen einschließlich CT oder Röntgeninfiltrationen empfohlen werden, sofern keine Lähmungen vorliegen. Bei Nichtbesserung nach 8 – 12 Wochen Therapie ist ein operativer Eingriff indiziert.
Liegen allerdings Lähmungen [Schwäche einer Muskelgruppe], eine Blasen-Darmstörung oder Probleme vom Rückenmark [Querschnitt, Gangunsicherheit, Gefühl „wie auf Watte zu gehen“, Koordinationsstörungen, usw.] vor, dann besteht ein Notfall, der die sofortige Abklärung mit Röntgen und MR nötig macht und oft einen sofortigen chirurgischen Eingriff zur Folge hat. Studien belegen klar, dass ein rascher operativer Eingriff die besten Chancen einer Erholung oder Rückbildung von der Lähmung mit sich bringt – in diesem Fall drängt die Zeit und die OP sollte raschestmöglich erfolgen. Besteht ein neurologisches Defizit über mehrere Wochen und Monate, dann sinkt die Chance auf vollständige Genesung beträchtlich.
Gehen sie zu einem Spezialisten/ Spezialistin
Erfahrungsgemäß ist Untätigkeit in solchen Fällen, vor allem durch von manchen „Gesundheitsexperten“ geäußerte Aussagen wie „da müssen sie damit leben, und da kann man nichts machen“ die mit Abstand schlechteste Option und bleibende Schmerzen in der Folge wahrscheinlich. In jedem Fall sollte die Abklärung durch einen Wirbelsäulenspezialisten erfolgen, ebenso wie die Therapieplanung oder ein chirurgischer Eingriff.
Informationen und Selbstdiagnosen auf diversen Internetseiten, aber auch vermeintliche „Sachbücher“ und Zeitungsartikel sollten immer kritisch hinterfragt werden, denn oft beinhalten sie haarsträubende, nachteilige oder sogar für Patient*innen gefährliche Informationen – davor warnt auch die Europäische Wirbelsäulengesellschaft Eurospine.
In jedem Fall sollte die Schmerzursache sorgfältig von Expert*innen evaluiert und – abhängig von einem soliden Befund – eine gezielte Therapie empfohlen werden. Grundsätzlich operieren die Wirbelsäulenspezialisten der Österreichischen Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie nur dann, wenn es tatsächlich medizinisch indiziert und einfach notwendig ist.
Gesundheitsvorsorge Aktiv
Die ÖSG sieht es als Fortschritt, dass die Pensionsversicherungsanstalt nach dreijähriger Pilotphase flächendeckend aktive Gesundheitsvorsorge anbietet. „Mit dem Programm der ‚Gesundheitsvorsorge Aktiv‘ [GVA] – dem Nachfolgemodell der traditionellen österreichischen Kur – können wir Menschen mit leichteren bis mittelschweren Symptomen am Stütz- und Bewegungsapparates helfen und vor potenziellen Spätschäden schützen“, erklärt Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter des Moorheilbads Harbach. Der Fokus dieses Konzepts liegt vor allem auf Bewegung, mentaler Gesundheit und gesunder Ernährung. Aktivtherapien und Sport bilden die medizinische Basis, um die Eigenverantwortung zu stärken und die erlernten Übungen dauerhaft in den Alltag zu integrieren.
In Harbach werden auch Rehabilitation und multimodale, interdisziplinäre Therapien bei schweren chronischen Schmerzsymptomen im Rahmen der Orthopädischen Rehabilitation nach Operationen geboten. Eine intensivierte, multimodale Orthopädische Rehabilitation wirkt sich nachhaltig positiv aus, wie die Praxis zeigt: „Der subjektive Gesundheitszustand der Patienten ist besser. Die Intensität ihrer Schmerzen lässt nach“, so Dr. Püspök.
Bei degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule, Verletzungsfolgen oder nach operativen Eingriffen kann eine dreiwöchige stationäre Orthopädische Rehabilitation zur Wiederherstellung der Gesundheit und Reintegration in das soziale und berufliche Umfeld in Anspruch genommen werden. Nähere Informationen dazu finden sie HIER.
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