Zecken haben das Reisen für sich entdeckt. Kaum ein Berg ist zu hoch, kaum ein Gebiet zu nördlich. Der Klimawandel sorgt für neue Lebensräume, Zugvögel sind die idealen Transporteure. Die Konsequenz: Die Ausbreitung der Zecken hat auch eine Ausweitung von FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) zur Folge.
2018 war in ganz Europa ein starkes Zeckenjahr mit überdurchschnittlich vielen FSME-Infektionen.[1] Das führt auch zu einer erhöhten Nachfrage an Impfstoff aus Österreich, der in die ganze Welt geliefert wird. Auffällig: Der Impfstoff-Bedarf steigt vor allem in nördlichen Regionen wie Norddeutschland und Schweden.
Schon wieder über der 100er-Marke
154 Menschen wurden 2018 in Österreich mit dem FSME-Virus infiziert und aufgrund einer FSME-Erkrankung stationär aufgenommen. Damit liegt die Zahl an FSME-Erkrankungen das zweite Jahr in Folge über der 100-er-Marke (2017: 123 Fälle).[1] Ein Grund für die neuerliche Zunahme an FSME-Fällen kann laut dem Zentrum für Virologie der MedUni Wien die lang anhaltende Schönwetterperiode im Vorjahr und der damit verbundene verstärkte Aufenthalt im Freien sein.
Denn: Nicht nur wir Menschen, sondern auch die Zecken lieben Wärme. Sie leben überall dort, wo die Temperaturen moderat und die Luftfeuchtigkeit ausreichend hoch ist. Ab einer Temperatur von ca. fünf bis sieben Grad Celsius beenden sie ihre Winterruhe, ab konstanten 15-20 Grad Celsius sind sie in Bestform.
Zecken und der Klimawandel
Aufgrund des Klimawandels sind Zecken inzwischen fast ganzjährig aktiv. Das zeigt sich auch im Auftreten der FSME-Erkrankungen des letzten Jahres: Die ersten Fälle wurden in Österreich Ende April gemeldet, der letzte Anfang Dezember.[1] Die klimatischen Veränderungen bringen immer mildere Winter und längere warme Jahreszeiten.[2] Dadurch gelingt es den Zecken, ihr „Revier“ ständig zu erweitern und geografische Grenzen zu überschreiten.[3]
So fühlen sie sich zunehmend in nördlicheren Gegenden wohl: Neue Hot-Spots sind in Norddeutschland entstanden, auch in Ländern wie Russland, Schweden oder Norwegen sind die Spinnentiere bereits verbreitet. Der Archipel von Kokkola im Norden Finnlands, nur 300 km vom Polarkreis entfernt, markiert den gegenwärtig nördlichsten Verbreitungsort von FSME-infizierten Zecken.[4-9]
Und sie haben längst auch die Berge erobert. Das FSME-Virus wird in Höhen bis zu über 1.500 Metern in Zecken gefunden.[10]
Blinde Passagiere
Doch wie kann sich die Zeckenpopulation so stark ausbreiten, wenn sich das Tierchen selbst nur wenige Meter fortbewegen kann? Ihre Essgewohnheiten sind des Rätsels Lösung. Für ihr Überleben braucht die Zecke Wirbeltiere, deren Blut als Nahrungsquelle dient. Damit wird sie auch mobil. Mit ihrem Wirt wird das Spinnentier in Gebiete getragen, die es selbst nie erreichen könnte. Handelt es sich bei ihrem „Transportmittel“ um einen Vogel, kann die Zecke sogar Wüsten und Ozeane überwinden.
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen lassen darauf schließen, dass Zugvögel eine wesentliche Rolle in der Verbreitung von Zecken und dem FSME-Virus spielen. So wurden etwa 2001 in Schweden Zugvögel auf FSME-infizierte Zecken untersucht. Die Forscher fanden damals nur vier FSME-infizierte Zecken auf den über 13.000 Vögeln (0,03%).[11] Knapp zehn Jahre später zeigte eine lettische Studie eine überraschende Entwicklung: Hier war bereits 1 von 7 Zecken (14%) auf den heimgekehrten Zugvögeln mit FSME infiziert.[12]
FSME-Impfstoff aus Niederösterreich für die ganze Welt
Entwicklungen wie diese führen dazu, dass immer mehr Menschen mit infizierten Zecken in Kontakt kommen. Entsprechend steigt auch der Bedarf an FSME-Impfstoff. Einer der verfügbaren Impfstoffe wird von Pfizer im niederösterreichischen Orth an der Donau hergestellt. „Wir produzieren FSME-Impfstoff für die ganze Welt. Neben Österreich wird die Impfung vermehrt in Deutschland und Schweden benötigt. Seit dem letzten Jahr nehmen wir eine steigende Nachfrage vor allem in den nordeuropäischen Ländern wahr“, so Martin Dallinger, Site Leader Pfizer Manufacturing Austria GesmbH.
Pfizer beschäftigt am Standort Orth an der Donau 250 Mitarbeiter und ist damit bedeutender Arbeitgeber für die Region. Jährlich werden im Werk etwa 12 Millionen Impfdosen hergestellt – neben dem FSME-Impfstoff auch ein Impfstoff gegen die durch Meningokokken-C ausgelöste Meningitis (Hirnhautentzündung).
Hier lesen sie zahlreichenFakten und Tipps zum Schutz gegen Zecken.
Quellennachweis
[1] Virusepidemiologische Information 2/2019, Zentrum für Virologie der MedUni Wien.
[2] Zentralanstalt für Meteorolgie und Geodynamik: https://bit.ly/2FkyxoH. Abgerufen: 03/2019.
[3] Leger E et al. Changing distributions of ticks: causes and consequences. Exp Appl Acarol. 2013;59(1-2):219-44.
[4] Moskvitina NS et al.Achievements in the Life Sciences, Volume 8, Issue 2, October 2014, Pages 118-120.
[5] Lindquist L et al. Tick-borne encephalitis. The Lancet. 2008;371(9627):1861-71.
[6] Golovljova I et al. Characterization of tick-borne encephalitis virus from Estonia. J Med Virol. 2004;74(4):580-8.
[7] Jaaskelainen AE et al. Siberian subtype tickborne encephalitis virus, Finland. Emerg Infect Dis. 2006;12(10):1568-71.
[8] Deutsches Konsiliarlabor für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
[9] https://www.zecken.de/de/fsme/fsmerisikogebiete-europa.
[10] Centre for Disease Control and Prevention. Infectious diseases related to travel. Tickborne Encephalitis. https://bit.ly/2y5y6sG Abgerufen: 03/19.
[11] Waldenstöm J et al., Emerg Infect Dis. 2007 Aug; 13(8): 1215-1218. [12] Kazarina A et al., Ticks Tick Borne Dis. 2015 Mar;6(2):178-80
(Bilder: Pfizer| Zecken.de)