Ob Schulter-, Hüft- oder Knieprobleme – jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens mit Gelenksbehandlungen in Berührung. Die Arthroskopie ist dabei für Patientinnen und Patienten ein besonders schonender operativer Eingriff. Sie macht mittlerweile über die Hälfte aller gelenkschirurgischen Eingriffe aus und trägt wesentlich zur Entdeckung und Behandlung neuartiger Gelenksverletzungen bei. Zudem kommen mit Orthobiologika zunehmend Substanzen, die natürlich im Körper vorkommen, zur Ankurbelung der Wundheilung bzw. Gewebeheilung und Geweberegeneration zum Einsatz.
Tagesklinikaufenthalt statt wochenlang im Krankenhaus
„Jeder Mensch kommt vermutlich im Laufe seines Lebens mit Gelenksbehandlungen in Berührung. Mithilfe der Arthroskopie können wir heute Gelenksverletzungen bereits sehr schonend und mit viel kürzeren Krankenhausaufenthalten behandeln. Mussten früher Patientinnen und Patienten beispielsweise nach einem offenen, chirurgischen Eingriff beim Kreuzbandriss wochenlang im Krankenhaus mit Drainagen behandelt werden, kommen wir heute dank der Arthroskopie bei dieser Verletzung auch mit Tagesklinikaufenthalten aus.
Zudem sind auch Orthobiologika, wie etwa Stammzellen, Blutplättchenkonzentrate und Hyaluronsäure, sehr stark im Kommen, um Heilungsprozesse zu beschleunigen,“ so Dr. Roman C. Ostermann, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, ärztlicher Leiter des Kompetenzzentrums für Sport- und Gelenksverletzungen „Die Praxis“ in Wien und Kongresspräsident des Kongresses der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkschirurgie [AGA].
Arthroskopie – der Rising Star der Gelenkschirurgie
Bei der Arthroskopie werden Gelenksverletzungen durch „Schlüssellochchirurgie“ behandelt. „Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Durch die Arthroskopie werden die Gelenke schonend operiert, das Gelenk wird durchgehend mit Flüssigkeit gespült, die Infektionsrate ist geringer, die Narben sind viel kleiner und es können auch Gelenksverletzungen behandelt werden, zu denen wir mit offenen chirurgischen Verfahren keinen Zugang hatten,“ betont Ostermann. 50 bis 60 Prozent der gelenkschirurgischen Eingriffe werden daher heute geschätzt schon arthroskopisch durchgeführt. Das macht allein in Österreich an die 150 Arthroskopien am Tag bzw. 10 bis 15 Arthroskopien pro Stunde.
Die „Klassiker“ dabei sind Knie- und Schulteroperationen wie Kreuzbandrisse im Knie und Rotatorenmanschettenrupturen bei der Schulter. Versorgung von Verletzungen des Bizepssehnenankers, das ist die Stelle, an der die lange Sehne des Bizeps-Muskels am Schulterblatt befestigt ist, sind überhaupt nur mit Arthroskopie möglich, da es keinen offenen chirurgischen Weg zu dieser Stelle gibt der nicht mit erheblichem Gewebetrauma verbunden ist.
„Die Arthroskopie hat uns auch geholfen, neuartige Gelenksverletzungen überhaupt zu entdecken und sie somit behandelbar zu machen,“ so Ostermann. „Auch die technischen Entwicklungen werden immer besser. So ist die Auflösung der Arthroskope, die dabei im Einsatz sind, mittlerweile so gut, dass wir die roten Blutkörperchen in den Gefäßen mit der Kamera darstellen können und die nächste Generation der Arthroskope sind schon so dünn und klein, dass einige Behandlungen mithilfe der Lokalanästhesie auch schon in Ordinationen durchgeführt werden können. Wir sprechen dabei von ‚Nadelarthroskopie‘,“ erklärt der Gelenkschirurg, der als Spezialist für Sportverletzungen auch als Teamarzt für den Fußballverein Austria Wien und Chief Medical Officer für den Österreichischen Basketballverband sowie das ATP-Tennisturnier in Kitzbühel verantwortlich ist.
Gelenkschirurgie setzt auf Eigenmaterial
Ein weiterer Trend der Gelenkschirurgie ist, dass man versucht, möglichst auf Fremdmaterialien zu verzichten und, wo diese notwendig bleiben, Implantate zu entwickeln, bei der so viel wie möglich Knochen- bzw. Gelenksmaterial erhalten bleiben kann. „So habe ich eine spezielle chirurgische Kreuzbandtechnik entwickelt, bei der wir ohne Fremdmaterial, also Schrauben, auskommen. Die Knochen-zu-Knochen-Heilung wird daher nicht von dem Fremdmaterial beeinträchtigt,“ erklärt Ostermann. „Bei jungen Menschen, die durch Verletzung einen großen Teil des Meniskus verloren haben, arbeiten wir mit Meniskustransplantationen und im Bereich der Prothesen gibt es immer mehr Teilgelenksersatz-Operationen,“ so der Spezialist.
Orthobiologika auf dem Vormarsch
Doch nicht nur im chirurgischen Bereich, sondern auch bei konservativen Behandlungen gibt es große Fortschritte. Bei Überlastungsschäden werden so Stoßwellentherapien, Magnetpulstherapie und Orthobiologika eingesetzt. Orthobiologika sind Substanzen, die natürlich im Körper vorkommen und gezielt in hoher Anzahl gewonnen werden, um bei orthopädischen Verletzungen die Heilung besser und schneller anzuregen. So werden Stammzellen, Blutplättchen und andere zelluläre Stoffe zu den diversen Gelenken gespritzt, um dort die körpereigenen Heilungsprozesse anzustoßen.
„Wir stecken hier sicher noch in den Kinderschuhen, aber diese Orthobiologika sind eines der, wenn nicht das Zukunftsthema, das uns die nächsten Jahrzehnte in der Erforschung und Entwicklung beschäftigen wird,“ betont Ostermann.
Gelenksbehandlungen im Laufe des Lebens
Generell kommt, wie erwähnt, nahezu jeder Mensch im Laufe seines Lebens mit Gelenksbehandlungen in Berührung. Das beginnt mit dem Hüftultraschall, der im Zuge des Mutter-Kind-Passes bei Säuglingen durchgeführt wird. Während bei Gelenksbeschwerden bei Kindern die Ursache vor allem in Dysplasien liegt, sprich verschiedenen Fehlbildungen, kommen Jugendliche und junge Erwachsenen meist im Zuge von Sportverletzungen mit Gelenksproblemen zum Facharzt. Bei den „Weekend Warriors“ – das sind ambitionierte Hobbysportler mittleren Alters – sind Überlastungsschäden häufig und im späten Alter zeigen sich Arthrosen im Gelenk, die dann teilweise den Einsatz von Prothesen erfordern. Funktionelles Balance- und Muskelaufbautraining mit Körpereigengewichtsübungen können Gelenksproblemen bis zu einem gewissen Grad gut vorbeugen.
Über die AGA
Die AGA ist die Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkschirurgie. Sie ist Europas größte Fachgesellschaft für Arthroskopie.
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